Von Politik und Verwaltung wird oft behauptet, man müsse mit der öffentlichen Diskussion über die Vaihinger Seilbahnpläne auf die Ergebnisse der vertieften Machbarkeitsstudie warten, die allerdings erst im Verlauf des Jahres 2023 vorliegen soll.
Hier sind sieben Gründe, warum wir uns schon JETZT zu Wort melden müssen:
Landschaftsschutzgebiet Rosental
Die Seilbahn soll über das Landschaftsschutzgebiet Rosental geleitet werden, welches viele Stuttgarter Bürgerinnen und Bürgern als wichtiges Naherholungsgebiet nutzen. – Man kann und muss schon JETZT öffentlich machen, dass ein solcher Eingriff in dieses Landschaftsschutz- und Naherholungsgebiet inakzeptabel ist, zumal es bereits eine Busverbindung zum sogenannten Eiermann-Areal gibt, die man bedarfsgerecht ertüchtigen könnte und die bei Einsatz moderner Hybrid- oder E-Busse eine bessere Ökobilanz hat.
Bedrohter Baumbestand
Die Seilbahn soll weiter quer über das Vaihinger Freibad und entlang der Vaihinger Seen verlaufen. Für diese Trasse samt großer Zwischenstation an der Krehlstraße müssten voraussichtlich viele Bäume gefällt oder verstümmelt werden. Natürlich muss das genaue Ausmaß der Zerstörung über die vertiefte Studie bemessen werden. – Man kann und muss aber schon JETZT diskutieren, ob man bereit ist, Bäume in diesen Bereichen fällen oder verstümmeln zu lassen, wenn es die Alternative einer Busverbindung gibt.
Frühzeitige Bürgerbeteiligung
Ein politischer Dialog sollte zum richtigen Zeitpunkt stattfinden. Von offizieller Seite ist häufig zu hören, dass es erst dann Sinn mache, die Bürgerschaft an der Diskussion über die Seilbahn zu beteiligen, wenn die Ergebnisse der vertieften Machbarkeitsstudie vorliegen. Leider muss man diesen öffentlichen Äußerungen aus Verwaltung und Politik mit Skepsis begegnen: Wenn man die Diskussionen im Gemeinderat verfolgt, wird schnell klar, dass sich viele offenbar bereits für die Seilbahn entschieden haben. Bemerkungen aus inoffiziellen Gesprächen mit einzelnen Volksvertretern legen einen ähnlichen Schluss nahe. Man muss sich fragen, warum sich Politik und Verwaltung anscheinend vorzeitig gegen eine Buslösung entschieden haben. Wenn es Gründe gibt, müssen diese Gründe dringend benannt und ehrlich und kritisch besprochen werden. Nur so ließe sich der Eindruck vermeiden, dass die Seilbahn von Anfang an als politisches Prestigeprojekt fest eingeplant ist.
Auch aus diesem Grund muss der politische Dialog mit Bürgerbeteiligung bereits JETZT stattfinden.
Bedürfnisse der Bewohnerschaft und Arbeitenden auf dem Eiermann-Campus
Die in Auftrag gegebene vertiefte “Machbarkeitsstudie” prüft vor allem die technische Machbarkeit. Bezüglich der künftigen Nutzung und des Bedarfs wird sie in gewisser Hinsicht spekulativ bleiben müssen: Steigt ein Mensch, der auf dem Eiermann-Campus wohnt oder arbeitet, lieber in einen Bus oder in eine Seilbahn? Diese Frage lässt sich auch nach der Studie nicht beantworten, da in Deutschland bislang keine in den ÖPNV integrierte Seilbahn existiert. Angesichts der bereits aufgezählten Probleme einer Seilbahnlösung darf es aber nicht sein, dass man eine Seilbahntrasse baut, nur um herauszufinden, wie viele tatsächlich einsteigen.
Aber auch ohne Studie – also JETZT – lässt sich einiges zum Bedarf feststellen:
1. Für die Menschen, die künftig auf dem Eiermann-Campus wohnen oder arbeiten und in Sindelfingen oder Böblingen arbeiten oder wohnen, bringt eine Seilbahn zum Vaihinger-Bahnhof nichts. Dazu wird ein separater Bus nötig sein.
2. In Stuttgart-Vaihingen ist eine Universität mit 20.000 Studierenden und ca. 4.000 Beschäftigten, zwei Max-Planck-Instituten, fünf Fraunhofer-Instituten und einer Hochschule für Medien. Auf dem Eiermann-Campus soll daher in Zukunft auch Wohnraum für Studierende geschaffen werden. Darüber hinaus hoffen die Investoren sicherlich, dass sich auch Beschäftigte dieser Hochschulen und der Forschungsinstitute für den Eiermann-Campus als Wohnort interessieren. Dazu bräuchte man aber eine direkte Stadtbahn- und/oder eine Busverbindung. Die Seilbahn bringt diese Menschen nicht zum Ziel.
3. Wer auf dem Eiermann-Campus wohnt, wird im Vaihinger Ortskern einkaufen wollen. Wer auf dem Eiermann-Campus arbeitet, wird vielleicht gerne im Vaihinger-Ortskern oder in dessen Nähe wohnen wollen. Die Bedürfnisse dieser Menschen wären mit einer Busverbindung abgedeckt. Eine Seilbahnverbindung führt sie dagegen nur zum Bahnhof und am Vaihinger Ortskern vorbei. Sie wären gezwungen zurücklaufen oder sogar einen Anschlussbus zu ihrem jeweiligen Wohnort im Umkreis des Vaihinger Ortskerns zu nehmen.
Es steht also JETZT bereits fest, dass der Bedarf all dieser Menschen durch eine Seilbahn nicht abgedeckt wird. Es steht außerdem bereits JETZT fest, dass es diverse Busverbindungen zum Eiermann-Campus geben muss. Das müsste man JETZT zugeben, um dann ehrlich zu diskutieren, ob für all diese Gruppen eine erhöhte Frequenz einer Busverbindung nicht sinnvoller wäre als eine Seilbahn.
Vergleich mit Buslösung
Eine Busverbindung hat gegenüber einer Seilbahntrasse schon allein aus Naturschutzgründen eindeutig Vorteile. Zudem gibt es bereits den Bus 84, der genauso schnell vom Eiermann-Campus zum Bahnhof Vaihingen fährt wie die geplante Seilbahn und unterwegs sogar den Vaihinger Ortskern passiert und somit anbindet. Es ist daher dringend nötig, dass die Anforderungen und Rahmenbedingungen für eine bedarfsgerechte Busverbindung JETZT in einer Parallelstudie geprüft werden.
Daher ist es zu begrüßen, dass in Abstimmung zwischen der SSB und der Stadtverwaltung nun offenbar eine Parallelstudie zur Busverbindung und ein Vergleich zwischen Seilbahn und Bus durchgeführt werden soll.
Problematischer Vergleich Seilbahn/Stadtbahn
Die Seilbahn und Stadtbahn werden derzeit über Parallelstudien untersucht. Die Stadtbahnstrecke, die u. a. Büsnau anbinden soll, ist allerdings ein wesentlich umfangreicheres Projekt als die untersuchte Seilbahntrasse vom Vaihinger Bahnhof zum Eiermann-Campus. Es ist daher schon JETZT klar, dass der Bau einer Stadtbahn um einiges teurer und aufwändiger wäre als eine Seilbahn, die nur zum Eiermann-Campus führt. Daher ist es kein Argument für die Seilbahn, dass sie weniger kostet als die Stadtbahn. Da der Eiermann-Campus jedoch rechtzeitig angebunden werden muss und der Bau der Stadtbahn zu lange dauern würde, muss man JETZT über den Vergleich Seilbahn/Bus reden.
Ökobilanz
In einem Interview erwähnt Michael Welsch vom Planungsbüro SSP Consult, das mit der vertieften “Machbarkeitsstudie Seilschwebebahnen” beauftragt ist, fast nebenbei etwas Entscheidendes: “Eines stehe bei einer Seilbahn außer Frage: Wenn sie mit Ökostrom betrieben werde, sei ihre Öko-Bilanz sehr günstig, sagt Welsch. Nur Busse mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb schnitten in dieser Hinsicht besser ab.” (Filder-Zeitung vom 22. Dezember 2020)
Es muss JETZT darüber diskutiert werden, warum man mit dem Bau einer Seilbahn eine zusätzliche Zerstörung der Natur in Kauf nehmen will, wenn Hybrid- oder E-Busse eine bessere Ökobilanz haben als die Seilbahn.